vom kleinen Engel zum Monster.
Der Schmerzkörper von Kindern – Eckhart Tolle – Eine neue Erde
Der Schmerzkörper von Kindern manifestiert sich manchmal in Form
von Übellaunigkeit und Verschlossenheit. Das Kind wird trübsinnig, es will
nichts mehr mit anderen zu tun haben und sitzt irgendwo mit seiner Puppe im Arm
in einer Ecke oder lutscht am Daumen.
Er kann sich aber auch in Weinkrämpfen und Wutanfällen äußern.
Dann schreit das Kind, wirft sich auf den Fußboden und verhält sich destruktiv.
Ungestilltes Verlangen kann leicht den Schmerzkörper
hervorlocken, und bei einem in Entwicklung begriffenen Ego kann das Verlangen
sehr stark sein. Oft müssen die Eltern, denen das Verhalten ihres Kindes
unerklärlich ist, ungläubig und hilflos zusehen, wie sich ihr kleiner Engel
binnen weniger Sekunden in ein kleines Monster verwandelt. »Was hat das Kind
bloß, dass es so unglücklich ist?«, fragen sie sich.
Es hat in mehr oder weniger starkem Maße Anteil am kollektiven
Schmerzkörper der Menschheit, der auf den Ursprung des menschlichen Ego
zurückgeht.
Das Kind kann aber auch schon Schmerz vom Schmerzkörper seiner
Eltern aufgenommen haben, deshalb sollten Eltern im Kind eine Spiegelung dessen
sehen, was genauso in ihnen steckt.
Hochsensible Kinder sind besonders stark vom Schmerzkörper der
Eltern betroffen. Das Irrsinnsdrama seiner Eltern mitzubekommen verursacht dem Kind
schier unerträgliche emotionale Qual, daher werden aus besonders sensiblen
Kindern oft Erwachsene mit starkem Schmerzkörper.
Ein Kind lässt sich nicht von Eltern täuschen, die ihren
Schmerzkörper vor ihm zu verbergen versuchen, indem sie sagen: »Wir dürfen uns
nicht vor den Kindern streiten.« Das heißt normalerweise nichts anderes, als
dass sich der Raum, während sich die Eltern höflich miteinander unterhalten,
mit negativer Energie anfüllt.
Unterdrückte Schmerzkörper sind außerordentlich giftig, noch
mehr als aktivierte, und dieses psychische Gift wird von den Kindern
aufgenommen und trägt zur Entwicklung ihres Schmerzkörpers bei.
Manche Kinder lernen schon dadurch, dass sie mit sehr unbewussten
Eltern zusammen sind, unterbewusst etwas über Ego und Schmerzkörper. Eine Frau,
deren beide Eltern ein sehr starkes Ego und einen starken Schmerzkörper hatten,
erzählte mir, dass sie oft, wenn ihre Eltern laut wurden und sich anschrien,
sie betrachtete und zu sich selbst sagte, obwohl sie sie liebte: »Die sind
bescheuert. Wie bin ich bloß hierhergekommen?« Sie hatte bereits ein gewisses
Bewusstsein davon, wie abartig es ist, so zu leben. Diese Bewusstheit trug ein
wenig dazu bei, das Maß der Schmerzen, das sie durch ihre Eltern in sich
aufnahm, zu vermindern.
Eltern fragen sich oft, wie sie mit dem Schmerzkörper ihres
Kindes umgehen sollen. Dabei lautet die entscheidende Frage natürlich, wie sie
mit ihrem eigenen umgehen. Erkennen sie ihn in sich selbst?
Können sie, wenn er aktiviert ist, präsent genug bleiben, um die
Emotion auf der Gefühlsebene bewusst wahrzunehmen, noch ehe diese die Chance
hat, zum Gedanken zu werden und einen »unglücklichen Menschen« aus ihnen zu
machen?